Ankereffekt

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Ankereffekt – wie erste Eindrücke unsere Urteile lenken

Was ist der Ankereffekt? Der Ankereffekt ist eine kognitive Verzerrung, bei der Menschen sich bei Entscheidungen oder Einschätzungen stark an einer zuerst wahrgenommenen Information orientieren – dem sogenannten „Anker“. Dieser Anker kann bewusst oder unbewusst gesetzt werden und beeinflusst Folgeurteile massiv, selbst wenn er sachlich irrelevant ist. Im digitalen Raum – besonders auf Facebook, YouTube, Instagram und Telegram – wird dieser Effekt häufig durch Schlagzeilen, Thumbnails, Titelbilder oder die Reihenfolge von Kommentaren ausgelöst. Der Ankereffekt spielt eine zentrale Rolle bei Desinformation, Meinungsmache und der Verzerrung von Faktenwahrnehmung.

Merkmale / Typische Formen

  • Frühe oder prominent platzierte Informationen dominieren die Bewertung eines Themas.
  • Nachfolgende Informationen werden an den Anker angepasst („anchoring bias“).
  • Der Anker muss nicht glaubwürdig sein – er wirkt allein durch seine Präsenz.

Beispiel: Ein YouTube-Video mit dem Titel „Regierung verschweigt Impfskandal“ beeinflusst die Erwartungshaltung der Zuschauer:innen so stark, dass sie auch neutral präsentierte Informationen im Video als Beleg für den „Skandal“ interpretieren.

Beispiele aus der Praxis

  • Auf Facebook titelt ein Artikel „Experten warnen: Massenüberwachung durch Impfpässe“ – Leser:innen bewerten jede Information zum Thema unter dem Eindruck dieser Suggestion.
  • TikTok-Creator platzieren extreme Aussagen („Wahrheit über den Klimaschwindel“) zu Beginn – auch wenn später differenziertere Inhalte folgen, bleibt der erste Eindruck dominierend.
  • Telegram-Nachrichten mit dramatischen Schlagwörtern („Notstand!“, „Vertuschung!“) setzen gezielt emotionale Anker.
  • In Instagram-Stories werden manipulierte Zahlen oder Schaubilder zuerst gezeigt – spätere Relativierungen bleiben weniger haften.
  • In WhatsApp-Kettennachrichten wird mit starkem Einstieg („EILMELDUNG: Neue Bedrohung entdeckt“) ein Wahrnehmungsrahmen gesetzt.

Folgen / Auswirkungen

  • Verfälschung der Realität durch selektive Wahrnehmung.
  • Desinformation wirkt glaubwürdiger, wenn sie mit starken Ankern kombiniert wird.
  • Verzerrte Risikowahrnehmung und Fehlentscheidungen im Alltag.
  • Verhärtung von Meinungen auf Basis frühzeitig gesetzter Suggestionen.
  • Beeinflussung von Diskursen durch gezielte Setzung von Einstiegsinformationen.

Schutz & Empfehlungen

  • Sich bewusst fragen: Welche Information wurde mir zuerst gezeigt – und warum?
  • Reihenfolge und Präsentation von Inhalten kritisch reflektieren.
  • Verschiedene Quellen heranziehen, um mehrere Perspektiven zu erhalten (Quellenvielfalt).
  • Faktenchecks und Primärquellen prüfen – nicht nur Überschriften und Headlines.
  • Vorsicht bei emotionalen Triggern in Titeln, Vorschaubildern oder Kommentaren.

Häufige Irrtümer / Missverständnisse

  • „Ich bilde mir meine Meinung selbst.“ – Der Ankereffekt wirkt unbewusst, selbst bei rationalen Menschen.
  • „Wenn es zuerst kommt, ist es am wichtigsten.“ – Die Reihenfolge sagt nichts über den Wahrheitsgehalt aus.
  • „Ich kann mich dem entziehen.“ – Nur durch bewusste Auseinandersetzung lässt sich der Ankereffekt abschwächen.

Weiterführende Links

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