Overton-Fenster
Overton-Fenster
Verschiebung des Sagbaren im politischen Diskurs – ein Konzept zwischen Meinungskorridor und Manipulation.
Was ist das Overton-Fenster?
Das Overton-Fenster beschreibt den Rahmen öffentlicher Meinungen und Ideen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt als gesellschaftlich akzeptabel oder politisch vertretbar gelten. Es zeigt auf, welche Positionen in der Öffentlichkeit vertreten werden können, ohne als extrem zu gelten. Ursprünglich von Joseph P. Overton eingeführt, dient das Modell zur Analyse, wie sich öffentliche Debatten und politische Entscheidungen verändern können. Besonders relevant ist das Konzept im Zusammenhang mit Desinformation, Manipulation und gezielter Meinungsmache, da es zeigt, wie durch gezielte Kommunikation das als „normal“ Empfundene verschoben werden kann. Es betrifft politische Akteur:innen, Medien, Aktivist:innen – aber auch ganz alltägliche Diskussionen in sozialen Netzwerken.
Merkmale / Typische Formen
Typische Merkmale des Overton-Fensters:
- Es beschreibt einen dynamischen Bereich akzeptierter Meinungen.
- Die Grenzen können durch gezielte Kommunikation verschoben werden.
- Es gibt unterschiedliche Stufen: von „undenkbar“ bis hin zu „staatlicher Politik“.
- Extreme Positionen außerhalb des Fensters können zur Verschiebung nach innen führen.
- Es dient als Werkzeug zur strategischen Meinungsbildung im öffentlichen Raum.
Psychologische Mechanismen
- Die Door-in-the-face-Technik: Zuerst extreme Forderungen stellen, um moderatere Positionen akzeptabler erscheinen zu lassen.
- Gewöhnungseffekt: Wiederholung kontroverser Aussagen senkt die Ablehnungsschwelle.
- Framing: Bestimmte Deutungsrahmen lenken die Wahrnehmung und machen neue Positionen anschlussfähig.
Beispiele aus der Praxis
- In Telegram-Kanälen wird gezielt mit extremen Aussagen gearbeitet, um die Grenzen des Sagbaren auszuweiten.
- Auf TikTok kursieren Meinungsbeiträge, die bisher undenkbare Positionen normalisieren sollen.
- Politische Kampagnen auf Facebook nutzen provokante Narrative, um moderate Forderungen durch Vergleich zu relativieren.
- In YouTube-Kommentaren werden extreme Meinungen durch sogenannte „Shitposting“-Taktiken eingeführt, um Debatten zu verschieben.
- Über Instagram verbreiten Influencer bewusst polarisierende Inhalte, um neue Positionen salonfähig zu machen.
Folgen / Auswirkungen
- Radikalisierung politischer und gesellschaftlicher Diskurse
- Vertrauensverlust in demokratische Prozesse und Institutionen
- Strategische Desinformationskampagnen, die demokratische Strukturen untergraben
- Gesellschaft spalten durch gezielte Polarisierung
- Wissenschaftsfeindlichkeit durch Ablehnung bisher etablierter Erkenntnisse
Schutz & Empfehlungen
- Die eigene Meinungsbildung regelmäßig hinterfragen und verschiedene Perspektiven einbeziehen
- Auf die sprachlichen Rahmen (Framing) und impliziten Botschaften achten
- Quellen prüfen und auf Faktenchecks durch Portale wie Mimikama oder andere Faktenchecker zurückgreifen
- Diskursstrategien erkennen lernen, etwa durch Kritisches Denken und Medienkompetenz
- Emotionale Reaktionen reflektieren, statt sie unkritisch zu übernehmen
Häufige Irrtümer / Missverständnisse
- „Das Overton-Fenster ist ein statischer Rahmen.“ – Falsch. Es verändert sich ständig durch gesellschaftliche Debatten und gezielte Einflussnahme.
- „Nur Extremisten verschieben das Fenster.“ – Auch moderate Akteur:innen oder Medien können durch bestimmte Narrative zur Verschiebung beitragen.
- „Das Konzept ist nur theoretisch relevant.“ – Es wird praktisch in politischen Kampagnen, PR-Strategien und Online-Debatten eingesetzt.