Storytelling bei Desinformation

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Storytelling bei Desinformation – Wie Lügen durch gute Geschichten wirken

Falschnachrichten im Erzählformat: Manipulation durch emotionale Narrative

Was ist Storytelling bei Desinformation?

Storytelling bei Desinformation beschreibt die gezielte Nutzung von erzählerischen Elementen, um Falschinformationen besonders glaubwürdig und einprägsam zu gestalten. Statt auf nüchterne Fakten zu setzen, verpacken Desinformationsakteure ihre Botschaften in packende Geschichten. Diese Erzählungen wecken Emotionen, erleichtern die Identifikation und bleiben länger im Gedächtnis – wodurch sie sich schneller und weiter verbreiten. Gerade auf Plattformen wie Facebook, Instagram, TikTok oder Telegram wirken solche Inhalte besonders stark, da sie sich nahtlos in den alltäglichen Strom persönlicher Geschichten einfügen.

Merkmale / Typische Formen

  • Held:innen vs. Bösewichte: Gute Figuren (z. B. „mutige Aufklärer“) stehen klaren Feinden (z. B. „die Regierung“) gegenüber.
  • David-gegen-Goliath-Struktur: Einzelpersonen kämpfen scheinbar heroisch gegen übermächtige Systeme.
  • Emotionale Wendepunkte: Ein dramatischer Moment zieht die Aufmerksamkeit und das Mitgefühl auf sich.
  • Persönliche Betroffenheit: Geschichten aus dem Bekanntenkreis („Ein Freund von mir…“) erscheinen glaubwürdiger.
  • Offene Enden oder Cliffhanger: Die Geschichte endet mit einer Warnung oder einem ungelösten Rätsel.

Psychologische Mechanismen

  • Geschichten aktivieren Emotionen stärker als Fakten.
  • Erzählungen ermöglichen Identifikation und erzeugen Nähe.
  • Wiederholung emotionaler Narrative verstärkt deren Wirkung.

Beispiele aus der Praxis

  • Auf Facebook kursiert die Geschichte einer „ehemaligen Krankenschwester“, die dramatisch über angebliche „geheime Intensivstationen“ berichtet – ohne Belege, aber emotional fesselnd.
  • In Telegram-Gruppen wird ein angeblicher Kriminalfall verbreitet, bei dem ein Familienmitglied Opfer geworden sei – ein oft erfundenes Narrativ, das Ängste schürt.
  • Ein Video auf TikTok inszeniert eine große Verschwörung im Stil eines Thrillers – Zuschauer:innen sollen „die Wahrheit erkennen“, obwohl alles erfunden ist.
  • Auf Instagram erzählt ein angeblicher „Whistleblower“ von geheimen politischen Absprachen – mit dramatischem Ton und inszenierten Szenen.
  • In WhatsApp-Kettennachrichten wird gewarnt: „Ein Freund hat das erlebt…“ – die Geschichte wirkt glaubwürdig, ist aber meist nicht verifizierbar.

Folgen / Auswirkungen

  • Verfestigte Falschbilder: Emotionale Narrative setzen sich tiefer im Gedächtnis fest als sachliche Fakten.
  • Vereinfachung komplexer Themen: Geschichten ersetzen differenzierte Informationen durch einfache Erklärmuster.
  • Radikalisierung und Polarisierung: Dramatische Erzählungen schüren Misstrauen, Hass und gesellschaftliche Spaltung.
  • Verbreitungsgeschwindigkeit: Gute Geschichten verbreiten sich rasant – unabhängig vom Wahrheitsgehalt.
  • Verlust von Faktenorientierung: Emotion ersetzt Überprüfung, Meinungen verdrängen belegbare Informationen.

Schutz & Empfehlungen

  • Erzählmuster erkennen: Wer wird als Held oder Opfer dargestellt? Gibt es klare Gut-Böse-Schemata?
  • Inhalte kritisch prüfen: Stimmen die Fakten? Gibt es Belege oder nur Behauptungen?
  • Quelle und Kontext beachten: Wer erzählt die Geschichte – und zu welchem Zweck?
  • Faktenchecks nutzen: Inhalte durch Mimikama oder andere Faktenchecker überprüfen lassen.
  • Eigenes Storytelling stärken: Auch wahre Inhalte lassen sich emotional erzählen – aber mit Transparenz und Faktenbasis.

Häufige Irrtümer / Missverständnisse

  • „Aber das klang so echt“: Emotionale Wirkung ist kein Beweis für Wahrheit.
  • „Das ist doch nur eine Meinung“: Meinungen dürfen subjektiv sein – Falschinformationen bleiben falsch.
  • „Wenn viele es teilen, muss was dran sein“: Verbreitung bedeutet nicht automatisch Richtigkeit.

Siehe auch: Häufige Missverständnisse rund um Falschmeldungen

Weiterführende Links